Die weltberühmten Funde rund um den Ötzi im Jahre 1991 und die damit verbundenen wissenschaftlichen Forschungen waren Anlass für eine authentische Darstellung des Alltagslebens in einer alpinen Ansiedlung der Jungsteinzeit, im Ötzi-Dorf in Umhausen im Ötztal, Tirol (Österreich). In dem 9.000 qm großen, archäologischen Freilichtpark wird auch eine kleine Herde Auerochsen, die Urform des Hausrindes, – in der damaligen Zeit vor ca. 5.000 Jahren noch freilebend – gezeigt. Der Ötztaler Verein für prähistorische Bauten und Heimatkunde, Träger des Freilichtparks, erklärte im Juni 2006, vertreten durch den Geschäftsführer Leonhard Falkner, die ordentliche Mitgliedschaft bei dem sich europaweit entwickelnden Verein zur Förderung der Auerochsenzucht (VFA) e.V.
Es war schon eine Sensation, als am 19. September 1991 in 3.200 m Höhe am Tisenjoch eine Eismumie von einem Nürnberger Ehepaar gefunden wurde, deren Bergung am 23. September 1991 durch das Institut für Gerichtsmedizin der Universität Innsbruck erfolgte. Das Alter des Mannes im Eis, denn um einen solchen hat es sich gehandelt, wurde mit der Radiocarbon-Methode auf 3.300 Jahre vor unserer Zeitrechnung bestimmt. Dies entspricht der späten Jungsteinzeit in Europa. Am 18. Januar 1998 wurde der gesamte Fundkomplex in das Musem für Archäologie nach Bozen überführt.
Die jährliche, saisonale Eröffnung des Freilichtparks in Umhausen, Ötztal, Anfang Mai ist für Univ. Prof. Dr. Walter Leitner, vom Institut für Ur- und Frühgeschichte an der Leopold – Franzens – Universität Innsbruck, jedesmal ein freudiges Fest, das ihn an den gegebenen Anlass zur Umsetzung des entsprechenden archäologischen Kontextes in Form von Rekonstruktionen und Modellen zur Rückholung der Zeit, in der der Mann im Eis lebte, erinnert. Mit Unterstützung der Euopäischen Union und unter Mitwirkung des österreichischen Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit, sowie großem Engagement von Universitätsprofessor Konrad Spindler, Herrn Direktor Karl Holzknecht, Präsident des Vereins für prähistorische Bauten und Heimatkunde und dem Bürgermeister von Umhausen Mag. Jakob Wolf gelang es Prof. Dr. Walter Leitner, seiner Begeisterung im Zuge der Realisierung des „Ötzi-Dorfes“ Ausdruck zu verleihen und seinen Landsleuten, wie allen interessierten Besuchern des Freilichtparks einen Eindruck von der Lebenswelt der Menschen vor 5.000 Jahren im Alpenraum zu vermitteln. Sie waren es schließlich, die – mit anderen – die wirtschaftlichen, technischen und geistigen Grundlagen, mit deren Entwicklung in den folgenden Jahrtausenden unser heutiges Kulturniveau erreicht wurde, schafften.
Obwohl ein unmittelbarer Zusammenhang mit „Ötzi“, dem Mann im Eis, und dem Ötzi-Dorf archäologisch nicht nachweisbar ist, so darf das Ötzi-Dorf rund um die Geschichte dieser sensationellen Entdeckung der berühmten Gletschermumie nicht willkürlich verstanden werden. Beim Bau des Ötzi-Dorfes wurde größter Wert darauf gelegt, dass die Natürlichkeit der Landschaft erhalten bleibt und dass alles, was im Ötzi-Dorf zu sehen ist, im Rahmen des möglichen wissenschaftlich fundiert ist. Schließlich wurde die Eismumie samt Bekleidungsresten, die aus Schuhen, Beinkleidern, Lendenschurz, Mantel, Umhang und Mütze aus Pelz-, Leder- und Grasmaterial bestand, gefunden. Zu seinen Ausrüstungsgegenständen gehörten Köcher, Pfeil und Bogen, ein Kupferbeil, Feuersteingeräte, eine Knochennadel, Geweihspitzen, Zunderstoff, Medizinschwamm, Birkenrindengefäße als Glutbehältnis, Gürteltasche und Holzrucksack. Man fand also genügend Hinweise für sein Aussehen.
Über das Umfeld, die Lebensbedingungen und Gewohnheiten der Menschen in der Jungsteinzeit liegen beim Institut für Ur- und Frühgeschichte ausreichende Kenntnisse vor, sodass eine authentische Rekonstruktion eines Dorfes, wie es vor mehr als 5.000 Jahren ausgesehen hat, ermöglicht wurde. Auch die Tierwelt der damaligen Zeit ist bekannt. Der Auerochse und das Wildpferd standen dem Menschen besonders nah. Es ist durchaus anzunehmen, dass einige Haustierarten nicht asiatischer Herkunft sind und ihre Domestikation in Europa erfolgte, wo ihre Wildformen (Ur oder Auerochse, Wildschwein u.a.) ebenfalls nachgewiesen sind. Im Ötzi-Dorf werden deshalb auch Exemplare der Ur-Rinder (Auerochsen) gezeigt. „Es handelt sich dabei um eine genetische Teilrückzüchtung des europäischen Wildrindes, das ca. im 16. / 17. Jh.n.Chr. ausgestorben ist und aus dem die meisten Hausrinderarten hervorgegangen sind“ (W.Leitner).*
Im Januar 2003 wurde der Auerochsen-Stier „Amor“, der in 8. Generation von der Zucht- linie des Tierparks Hellabrunn abstammt und im Zuchtbuch A des VFA registriert ist, vom Auerberg in Bayern importiert. Die Kühe Diana und Venus waren schon vorher aus dem Tierpark Haag in Österreich nach Umhausen geholt worden und warteten sehnsüchtig auf Amor, der seinem Namen bald alle Ehre machte. Im Dezember wurde von Venus das erste Auerochsen-Stierkalb „Apis“ im Ötzi-Dorf geboren, im Januar 2005 folgte das zweite Stierkalb „Ares“. Ares ist zwischenzeitlich – wegen der beengten Verhältnisse – mit Diana nach Wattens verlagert worden, er wird voraussichtlich später die Zucht im Ötzidorf fortführen. Im März 2006 ist das erste Auerochsen-Kuhkalb in Tirol geboren und hat in den Medien großes Interesse ausgelöst. Für eine zukunftsträchtige Population der Auerochsen- Abbildzüchtung in Tirol ist somit der Grundstock gelegt.
Ein Besuch im Ötztal und dem Ötzi-Dorf lohnt sich allemal und ist für Groß und Klein eine Attraktion. Hinweise, weitere Informationen und ein Anreise-Plan sind unter www.oetzi-dorf.com im Internet zu finden.
* Freie Wiedergabe aus der Schriftenreihe Ötztal Archiv Band IX 2001, „Das Ötzi-Dorf in Umhausen“ von Prof. Dr. Walter Leitner (zu bestellen unter: office@oetzi-dorf.com).