Geschichtliches
Der Auerochs oder Ur ist der Stammvater aller Hausrinder. Einst waren diese Wildrinder über weite Teile Europas, Asiens und Nordafrikas verbreitet. Durch Funde von vor- und nacheiszeitlichen Auerochsenskeletten weiß man, daß diese bis Mittelschweden vordrangen und auch in England heimisch waren. Der Auerochs war nach den kontinentalen Verschiebungen entstanden und deshalb auf den alten Kontinent beschränkt. Es sind keine Funde auf dem nord- und südamerikanischen oder australischen Kontinent nachgewiesen. Vor über 300 Jahren ist der Auerochs, vom Menschen gejagt und durch die sich auf Kosten der Wälder ausbreitende Kulturlandschaft verdrängt, ausgestorben. Die letzten Tiere haben sich in den Wäldern von Masowien (Polen) gehalten und wurden zuletzt in der Jaktorowka auf dieselbe Weise gehegt, wie heut zu Tage der Wisent. In den heute lebenden Nachfahren, einigen halbwild gehaltenen Rinderrassen aber auch in den Hausrinderrassen sind viele Eigenschaften des Ur-Rindes jedoch noch erhalten.
Den Gebrüdern Heinz Heck und Dr. Lutz Heck gelang es durch Rückzüchtungen in den 30-iger Jahren im Tierpark Hellabrunn in München bzw. im Zoologischen Garten von Berlin schon nach wenigen Generationen einen „Neuen Auerochsen“ vorzustellen, der mit Ausnahme der Größe wesentliche Eigenschaften des Ur-Rindes aufwies. Zur Rückzüchtung wurden neben dem Podolischen Steppenrind, dem Schottischen Hochlandrind, und dem Spanischen Kampfrind auch einige Hausrinderrassen mit eingesetzt. Obwohl von den Brüdern Heck unterschiedliche Rassen für die Rückzüchtung verwendet wurden, kamen beide zu demselben Ergebnis, einem Rind, das die gewünschten Auerochsen – Eigenschaften annähernd in sich vereinigte. Inzwischen hat sich eine widerstandsfähige Rasse stabilisiert und es dürften heute europaweit über 3.000 Tiere leben, die auf diese Rückzüchtungen zurückzuführen sind. Zu dem Ursprung der Rückzüchtungsidee hat sich Herr Dr. Lutz Heck in einem Bericht der Internationalen Gesellschaft zur Erhaltung des Wisents im Jahre 1934 wie folgt geäußert:
“ Unsere verschiedenartigen Hausrinderrassen stellen einen weitverzweigten Baum dar, von dem einzelne Zweige, jeder für sich, bestimmte wesentliche Eigenschaften des gemeinsamen wilden Vorfahrs noch erhalten haben. Wenn wir diese gesamten erblichen Wildeigenschaften unserer Hausrinder, die einzeln verteilt bei verschiedenen Rassen noch vorhanden sind, zusammenbringen und sie auf eine einzige Tierpersönlichkeit übertrügen, hätten wir ein Rind, das sämtliche, vom Auer noch erhaltenen Eigenschaften in sich vereinigt, also den Auerochs.
Vorausgesetzt, dass einzelne oder alle Eigenschaften des Auers in dieser Weise verstreut in den verschiedenartigen zahmen Nachfahren seiner Art fortleben, müsste es nach den Grundsätzen der modernen Vererbungswissenschaft möglich sein, durch zielbewusste Zucht diese Eigenschaften wieder zusammenzubringen und auf ein Tier zu vereinigen, unter Ausschaltung der durch Domestikation in einzelnen Fällen erworbenen, umgeänderten oder verlorenen Eigenschaften.“
Im Jahre 1980 wurde ein INTERNATIONALES ZUCHTBUCH FÜR AUEROCHSEN veröffentlicht, das einen Bestand von 88 Tieren aufwies – wobei nicht alle seinerzeit lebenden Tiere erfasst wurden – und der vornehmlich auf die Zucht aus dem Tierpark Hellabrunn zurückging. In der Ausgabe 1985 waren es bereits 189 Tiere. Die den Auerochsen ähnlichen Wildrinder zählten damals wegen ihres geringen Bestandes zu den gefährdeten Rinderrassen. Heute ist der Bestand dank der aktiven züchterischen Maßnahmen in landwirtschaftlichen Betrieben und Wildparks gesichert. Bei dem im Jahre 1995 gegründeten europäischen Zuchtverband und bei dem im Jahre 1997 gegründeten deutschen Zuchtverband werden alle Auerochsen oder „Heckrinder“ wie sie auch genannt werden, für die ein Stammbaum nachgewiesen werden kann, in Zuchtbüchern geführt.